Der Papst stirbt, die Werbeblöcke leben
Papst Franziskus ist tot. Und die Welt hält inne – aber nur, um besser zuschauen zu können. Breaking News, Sondersendungen, Liveticker, überall. Der Tod als globales Medienereignis, als Mega-Event, als Pflichtprogramm für alle, die noch irgendwie dazugehören wollen. Und während auf dem Petersplatz die Glocken läuten, läuten in den Redaktionen die Kassen. Wer trauert am lautesten, wer berichtet am längsten, wer hat die besten Bilder vom aufgebahrten Pontifex? Die Einschaltquote als neues Sakrament, der Werbeblock als Fürbitte. Franziskus, der Papst der Armen, der Papst der Demut, mutiert in Echtzeit zum Content-Goldesel.
Es ist eine absurde Prozession der Pietätlosigkeit: Moderatoren mit Grabesstimme, die in die Kamera hauchen, als würden sie gleich selbst seliggesprochen. Expertenrunden, die sich gegenseitig mit bedeutungsschwangeren Phrasen überbieten, als ginge es um den Literaturnobelpreis und nicht um einen Menschen, der gerade gestorben ist. Die Kirche trauert, die Welt trauert, der Algorithmus trauert mit. Wer nicht postet, ist verdächtig. Wer nicht schaut, ist unmenschlich. Wer nicht mitmacht, ist raus. Die Trauer als öffentlicher Pflichtdienst, das Mitgefühl als Like-Button.
Und natürlich gibt es jetzt alles: Papst-Franziskus-Gedenk-Tassen, Trauerkerzen, Sammelalben, Filter fürs Profilbild. Die Content-Industrie läuft heiß, die Merch-Abteilungen jubeln. Endlich wieder ein globales Ereignis, endlich wieder ein Grund für Sondersendungen, Expertenrunden, Livestreams. Der Tod als Dauerwerbesendung, die Trauer als Event. „Jetzt neu: Das große Papst-Franziskus-Sammelalbum – nur für kurze Zeit!“ Die Würde des Moments? Ein Auslaufmodell. Hauptsache, die Klickzahlen stimmen und die Werbekunden sind zufrieden. Kondolenzbuch 2.0: Tränen-Emoji gegen In-App-Kauf. Trauern war früher mal eine intime Angelegenheit. Heute gibt’s das alles als App. Digitale Kerzen, virtuelle Gebete, Likes als Beileidsbekundung. Die Kommentarspalten laufen über, die Empörung sowieso. Wer wagt es noch, nicht betroffen zu sein? Wer traut sich, einfach mal zu schweigen? Nein, der Tod ist jetzt öffentliches Eigentum. Jeder darf, jeder muss, jeder soll. Die Medien liefern, das Publikum konsumiert, und irgendwo im Hintergrund zählt jemand die Einnahmen. Halleluja.
Kaum ist der letzte Atemzug getan, stehen sie schon bereit: die Experten. Kirchenrechtler, Theologen, Papst-Biografen, ehemalige Messdiener, selbsternannte Vatikan-Influencer. Jeder weiß es besser, jeder hat was zu sagen, jeder will ins Bild. „Was bedeutet der Tod von Franziskus für die Welt?“ „Welche Schuhe trug er beim Sterben?“ „Wie viele Kalorien hat das letzte Abendmahl?“ Die Fragen werden immer absurder, die Antworten immer hohler. Aber Hauptsache, die Sendezeit ist gefüllt und die Zuschauer bleiben dran. Der Tod als Quizshow, der Papst als Clickbait.
Und während der Petersplatz zum Freiluftstudio mutiert, während die Kameras auf jedes zuckende Tränchen zoomen, während die Moderatoren mit ernster Miene von „historischen Momenten“ faseln, fragt man sich: Ist das noch Trauer oder schon Reality-TV? Ist das noch Anteilnahme oder schon Ausschlachtung? Franziskus, der Papst der Stille, der Papst der leisen Töne, wird zum Hauptdarsteller in einem grotesken Medienspektakel. Die Würde? Liegt irgendwo zwischen den Werbeblöcken und den Breaking-News-Bannern begraben.
Am Ende bleibt ein schaler Nachgeschmack. Nicht nur, weil ein Papst gestorben ist, sondern weil mit ihm auch das letzte bisschen Anstand beerdigt wird. Die Medien feiern sich selbst, das Publikum konsumiert, und irgendwo im Getöse geht das Eigentliche verloren: die Würde des Abschieds, die Stille der Trauer, das Menschliche im Moment. Aber das ist ja egal. Hauptsache, die Quote stimmt. Papst Franziskus ist tot. Lang lebe das Medienevent. Noch Fragen? Dann schalten Sie jetzt nicht ab – gleich nach der Werbung geht’s weiter mit dem großen Konklave-Bingo!