Willkommen im neuen Österreich unter Kanzler Kickl!
Es wird düster in den Redaktionsstuben der Alpenrepublik. Herbert Kickl als möglicher Bundeskanzler? Da kann man sich die bisherigen Sorgen um sinkende Einschaltquoten oder den alljährlichen Inseratenstreit gleich sparen – die Herausforderungen werden dann weitaus existenziellerer Natur. Während Kickl mit dem Charme eines Autoverkäufers aus der dritten Liga Verhandlungen führt, sollte sich die Medienlandschaft auf einen knallharten Kampf um ihre Daseinsberechtigung einstellen.
Der Plan ist offensichtlich: Der ORF soll auf eine Art Grundrauschen reduziert werden, bestenfalls noch als nötiges Übel geduldet. 700 Millionen Euro pro Jahr? Viel zu viel für die blaue Geschmackspolizei. Kickl und seine Getreuen würden den ORF wohl lieber bei 500 Millionen verhungern lassen. Einem Stürmchen in der Provinz mag das gleichgültig sein, aber den Landesstudios könnte damit der Stecker gezogen werden – und die sind immerhin noch der letzte Draht zu den Menschen, die nicht nur auf alternative Fakten-Kanäle vertrauen.
Es geht aber nicht nur um die Finanzen. Die personellen Umbauten, die Umbesetzungen der Führungsebene und die wohl geplanten journalistischen Hofschranzen? Eine Tragikomödie in drei Akten, in der der ORF langsam, aber sicher zu einem gefügigen Propagandainstrument zurechtgestutzt wird. Kritische Stimmen? Fehlanzeige. Wer sich nicht dem neuen, blauen Narrativ beugt, kann schon mal mit einer digitalen Prangerliste rechnen, kuratiert von FPÖ-nahen Aufpassern.
Dass Kickls schöner neuer Medienstaat dabei nicht beim ORF Halt machen wird, ist wohl das größte Problem. Auch private Medien, die sich bislang noch auf der vermeintlich sicheren Seite wähnen, sollten sich wärmstens darauf vorbereiten, von den staatlichen Inseratengeldern abgeschnitten zu werden, sollten sie es wagen, allzu kritisch zu berichten. Stattdessen werden alternative Medien à la Auf1 hofiert, jene Kanäle, die die FPÖ bereits seit Jahren fleißig aufbaut und finanziell stützt. Dort gibt es keine unliebsamen Fragen, sondern nur das Wohlgefällige: schön auf Linie, schön regierungstreu.
Und was heißt das für die Pressefreiheit? Van der Bellen hat zwar großspurig von roten Linien gesprochen, aber ehrlich, wer glaubt denn ernsthaft, dass eine Koalition, die sich das erste Mal wieder zusammenrauft, auf feinsäuberlich gezogene Linien achtet? Die sind bestenfalls Symbolik, schlimmstenfalls ein Lippenbekenntnis, um die Wähler zu beruhigen. Tatsächlich könnte es für Journalisten bald nur noch eine rote Linie geben: die, die sie überschreiten und danach nie wieder eine staatliche Presseförderung sehen.
Wenn das wie ein dystopisches Szenario klingt, dann ist das noch gar nichts. Wer glaubt, dass derartige Entwicklungen nur Österreich betreffen, sollte sich Deutschland genauer anschauen. Unsere Nachbarn sind ja ohnehin ein politisches Experimentierfeld für alles, was die europäische Rechte irgendwann auch hierzulande ausprobieren könnte. Die AfD schaut sicher genau hin, wie man staatliche Institutionen so umgestaltet, dass sie zwar noch existieren, aber inhaltlich nur noch eine Hülle sind. Wenn Kickl mit seinem Umbau durchkommt, könnten Gauland und Weidel bald Nachhilfe nehmen.
Die Medienlandschaft muss sich wappnen, und zwar nicht nur mit Beschwörungsformeln zur Pressefreiheit. Es braucht Rückhalt in der Gesellschaft. Der alte Deal „Wir berichten, ihr konsumiert“ reicht nicht mehr. Medien müssen kämpfen, und zwar um das Vertrauen ihrer Leser, Hörer und Zuschauer. Denn wenn Kickls Österreich eines lehrt, dann das: Wer die Medien im Griff hat, hat die Deutungshoheit. Und wer die Deutungshoheit hat, bestimmt, was gesagt und gedacht werden darf.
Bleibt zu hoffen, dass es nicht so weit kommt. Doch die Hoffnung allein wird nicht reichen. Es wird Zeit, dass Medien wieder als das wahrgenommen werden, was sie eigentlich sind: das Rückgrat der Demokratie. Und die hat bekanntlich nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland ihre Feinde – nur dass die hier noch nicht an der Macht sind. Noch nicht.