METZ, die kanadische Noise-Rock-Band, verabschiedet sich in Berlin, im Club Hole⁴⁴, und es fühlt sich an, als würden wir eine Explosion in Zeitlupe betrachten. Der Club, ein schummriges Paralleluniversum aus Schweiß, Bierdunst und flackerndem Licht, saugt alles auf: die Energie, die Euphorie, die Trauer. Berlin ist der Ort des Abschieds, das Epizentrum eines letzten großen Bebens. Hier, wo alles zusammenkommt, verdichtet sich die Tour zu einem einzigen, alles überschreibenden Moment.
Der Abend beginnt unscheinbar. Vorband: Cola. Sie spielen solide, fast zu brav für einen Abend wie diesen. Ein nettes Aufwärmprogramm, ein kleiner Vorgeschmack, aber es ist klar, dass das Publikum hier für die Hauptattraktion gekommen ist. Die Spannung ist greifbar. Menschen schieben sich näher an die Bühne, der Raum wird enger, die Luft dichter. Ein Murmeln, ein Flüstern: Wann geht es endlich los? Eine Art elektrisches Kribbeln in der Atmosphäre.
Und dann: METZ. Sie stürmen auf die Bühne, keine Begrüßung, nur ein Nicken, und dann bricht die Welt über uns zusammen. Der Opener: „No Reservation / Love Comes Crashing“. Ein Song, der sofort klarstellt, dass das hier keine Nostalgie-Show wird. Es ist Krieg. Es ist Liebe. Es ist die Vertonung von Berlin in einer Novembernacht – kalt und hart, aber auch seltsam wärmend. Die Gitarren brechen wie Wellen, die Drums sind ein pulsierendes Herz, das den Raum in Schwingung versetzt. Es gibt keine Pause, keine Erholung, nur dieses gnadenlose Vorwärtspreschen. Ein Anfang wie ein Faustschlag.
„Acetate“ wird gespielt, und es ist, als würden die Wände des Clubs mitatmen. Alles lebt: der Beton, die Kabel, die verschwitzten T-Shirts der Fans. Ein Typ in der ersten Reihe brüllt jeden Text mit, als wäre es eine letzte Beichte. METZ spielen, als ginge es um ihr Leben. Und irgendwie tut es das ja auch. Das letzte Album, Up On Gravity Hill, ist der Soundtrack dieses Moments. Die Songs klingen live noch intensiver, noch verzweifelter, noch wütender. Es ist, als hätten sie alle Erfahrungen, alle Ängste und Hoffnungen der letzten Jahre in diese Klänge gepresst.
„Demolition Row“? Perfektes Chaos. Ein Song, der dich hochreißt und dann fallen lässt – wieder und wieder. Doch dann: „Light Your Way Home“. Hier passiert es. Die Temperatur im Raum sinkt, obwohl niemand aufhört zu schreien. Es ist eine Hymne an die Endlichkeit. Die Band scheint zu schweben, getragen von ihren eigenen Riffs, während der Saal erzittert. Und mittendrin diese Pause, ein Atemzug, ein Moment des Innehaltens, bevor die nächste Welle alles überspült. Die Fans sind wie ein Chor, nicht perfekt, aber so ehrlich, dass es die Songs nur noch größer macht. Es ist, als würde hier, in diesem kleinen Raum in Berlin, die Zeit stillstehen. Ein magischer Augenblick, der sich einbrennt.
Die Energie des Abends erinnert an ein Flüstern, das sich zu einem Schrei aufbaut. Es fühlt sich an, als hätte der Abend alle anderen Konzerte der Tour aufgesogen und in diesen Raum getragen. Berlin ist kein Konzert, es ist ein Manifest. Die Erinnerungen an Budapest, Prag, all die anderen Städte: Sie sind da, eingewoben in jeden Akkord. Ein gemeinsamer Atemzug, ein kollektiver Herzschlag, der in Berlin seinen Höhepunkt findet. Es ist ein Moment, der mehr ist als Musik, mehr als Performance. Es ist pure, rohe Emotion.
Und dann: „A Boat to Drown In“. Der Club ist ein Hexenkessel. Die Luft: schwer, elektrisch. Die Band hämmert die letzten Akkorde heraus, und dann – Stille. Keine dramatische Verabschiedung, nur ein schlichtes „Danke“. Und trotzdem: Es fühlt sich an wie das Ende der Welt. Oder zumindest einer Welt. Fans stehen da, wie in einem Schockzustand, unfähig, die Realität dieses Abschieds zu begreifen. Der Moment, in dem die Band die Bühne verlässt, ist surreal. Zum Glück ist es ersichtlich, dass sie sich selbst keine Mühe geben wollen, den Raum zu verlassen - sie wollen weitermachen! Ein Gefühl absoluter Endgültigkeit hängt in der Luft.
Doch dann, wie aus dem vorhersehbaren Nichts, kehren METZ zurück. Die Menge tobt, und als die ersten Töne von „Wet Blanket“ erklingen, explodiert der Club ein letztes Mal. Es ist keine bloße Zugabe, es ist ein kathartischer Moment, ein kollektiver Aufschrei. Die Gitarrenriffs sind wie ein Sturmlauf, das Schlagzeug ein erbarmungsloser Taktgeber, der die letzten Reserven aus den Körpern der Fans pumpt. Jeder Schlag, jede Note trifft wie eine entfesselte Urgewalt. Die Bühne wird zum Schlachtfeld, auf dem METZ noch einmal alles geben – und die Menge antwortet mit purer Ekstase. Menschen springen, schreien, tanzen wie besessen. Der Song wird zu einem Rausch, einem letzten Höhepunkt, der die Grenzen zwischen Band und Publikum endgültig verwischt. Als „Wet Blanket“ endet, bleibt nur ein Gefühl: totale Erschöpfung, durchsetzt mit dem bittersüßen Geschmack des Abschieds.
METZ hinterlassen an diesem Abend in Berlin mehr als Erinnerungen. Sie hinterlassen ein Gefühl, eine Vibration, die noch lange in unseren Köpfen nachhallen wird. Kein Abschied für immer, sondern ein Statement: Wir waren hier. Und wir haben alles gegeben. Die Zuschauer, die Fans – sie wissen es. Sie spüren es in jeder Faser. Es ist ein Moment, der sich nicht wiederholen lässt, einzigartig und doch universal.
Auf dem Weg nach draußen ist die Stimmung eine seltsame Mischung aus Erschöpfung und Euphorie. Leute reden durcheinander, einige lachen, andere sind still. Am Merch gibt es endlich die signierte Vinyl, auf die man seit vielen jähren wartet. Die Straßen Berlins fühlen sich anders an, kälter vielleicht, oder einfach leerer. Doch in jedem Kopf summt noch ein Rest dieser Musik, dieses Lärms, dieses Lebens. METZ haben sich verabschiedet, aber sie haben etwas hinterlassen, das nicht so leicht verschwindet. Ein Echo, das weiterlebt.